Donnerstag, 18. November 2010

Kapitel Sieben

Kapitel Sieben

Die Frau ohne Schatten
von Hofmannsthal und Strauss –
eine fantastische Summa all unserer Themen

Der Erfolg ihrer Kollaboration am Rosenkavalier – besonders sein Erfolg als ästhetisches Vehikel für ihre erhabenen Ideen – regte Hofmannsthal und Strauss an, sofort mit einem noch ambitionierteren Projekt anzufangen, mit der Frau ohne Schatten. Zwei Monate nach der Uraufführung des Rosenkavaliers am 26. Januar 1911 schreib Hofmannsthal an Strauss, um eine neue Oper vorzuschlagen: “Mir schwebt da etwas ganz Bestimmtes vor, etwas, das mich sehr fasziniert ... es ist ein Zaubermärchen ... das Ganze schwebt mir wirklich mit Gewalt vor Augen und stört mich sogar im Arbeiten ... Das Ganze, wie ich es da in der Luft hängen sehe ... verhielte sich, beiläufig gesagt, zur “Zauberflöte” sowie sich der “Rosenkavalier” zum “Figaro” verhält: das heißt, es bestände hier wie dort keine Nachahmung, aber eine gewisse Analogie.”1

Durch all die darauffolgenden Jahre bis zu ihrer verspäteten Uraufführung an der Wiener Staatsoper am 10. Oktober 1919 – der Weltkrieg von 1914-18 hatte die ohnehin schwere Erschaffung der Oper noch weiter kompliziert – wiederholte Hofmannsthal in seiner Korrespondenz mit Strauss seine Überzeugung, dass Die Frau ohne Schatten eine besondere Idee sei, durch das Schicksal unter dieser glücklichen Konjunktion poetischen und musikalischen Genies zur Realisierung bestimmt.

Sie ist keine leichte Oper, weder zu veranstalten noch zu verstehen. Sie stellt hohe Ansprüche an Musiker, Theatergestalter und Zuschauer zugleich. Der Musikologe William Mann nannte sie in seinem Buch über die Richard Strauss-Opern “die vielleicht höchstgestochene, größtspurig ausgelegte Oper in der Geschichte der Oper, dafür aber womöglich auch die allerschönste und bewegendste aller Opern ... Selbst die Figuren des Rosenkavaliers schneiden nicht so tief wie diese, auf einer so tiefen Ebene, wo sie uns einladen, andere Menschen zu werden, uns zu der Umkehr des Griechischen μετάνοια einladen, was bedeutet: unseren Sinn gänzlich ändern.”

Im Rosenkavalier geht es ja auch um metánoia, wie wir schon festgestellt haben, aber William Mann meint mit Recht, dass Die Frau ohne Schatten uns einlädt, Umkehr auf einer noch tieferen Ebene zu üben als ihre große Vorgängerin. In der Tat faßt Die Frau ohne Schatten alle Themen zusammen, die wir in diesen Diskussionen miteinander erforscht haben und ist also ein passendes letztes Beispiel, nicht nur von metánoia. Wenn wir sie fertig analysiert haben, werden wir sehen, dass ihre Tiefsinnigkeit, ihre Komplexität und ihre Subtilität eine passende Würdigung und entsprechende ästhetische Widerspiegelung der unendlichen supernalen Wesensart ihres erhabenen Stoffes darstellen.

Die Frau ohne Schatten ist ein Märchen, das in einem zeitlosen Reich spielt, irgendwo in einem östlichen, vielleicht persischen Milieu. Es gibt keine gewöhnliche Overtüre: nur drei große Donnerschläge eines fallenden Dreiklangs, dreimal wiederholt, welche die drei Silben des Namens des Geisterfürsten Keikobad versinnbildlichen.

In der ersten Szene ist es Nacht, und vom Flachdach eines Kaiserschloßes mit Aussicht auf Gärten und einen See merkt die Amme plötzlich ein Licht über dem See, einen fließenden Glanz, schnell wie ein Vogel, das die Wipfel der Nacht von oben erhellt. Sie erkennt in diesem Licht eine Feuerhand, die nach ihr fasst. Dies alles, zusammen mit dem Keikobad Leitmotif in der Musik, läßt sie fragen: “Bist du es Herr? Siehe, ich wache bei deinem Kinde nächtlich in Sorge und Pein!”

Das Licht und der Donner sind in der Tat Zeichen eines Besuchers aus den ewigen Bereichen aber es ist nicht der Herr selbst, Keikobad, der erscheint, sonder seiner Geisterboten einer.

Er sei sogar der zwölfte Bote, verkündet er. Ein solcher Geisterbote wie er sei am Ende jedes der letzen zwölf Monate erschienen, so erfahren wir weiter, ein Geisterbote also, der jedesmal zu fragen habe, ob Keikobads Tochter, auf welche die Amme aufpaßt, schon einen Schatten werfe.

Als die Amme diese Frage verneint und sagt, das Licht wandele immer noch durch den Leib der Tochter als wäre sie gläsern, schimpft sie der Bote, weil sie Keikobads Tochter hat entführen lassen: “Einsamkeit um dich, das Kind zu schützen. Vom schwarzen Wasser die Insel umflossen, Mondberge sieben gelagert um den See – und du ließest, du Hündin, das Kleinod dir stehlen!”

Die Exposition geht weiter. Die Amme weist die Schuld von sich und ruft die Klage aus: “Von der Mutter her war ihr ein Trieb übermächtig zu Menschen hin! Wehe, dass der Vater dem Kinde die Kraft gab, sich zu verwandeln! Konnt’ ich einem Vogel nach in die Luft? Sollt’ ich die Gazelle mit Händen halten?”

Der Geisterbote will Keikobads Tochter sehen, allein die Amme antwortet ihm, dass sie nicht allein sei: “Er ist bei ihr. Die Nacht war nicht in zwölf Monden, dass er ihrer nicht hätte begehrt! Er ist ein Jäger und ein Verliebter,” fügt die Amme verächtlich hinzu, “sonst ist er nichts! Im ersten Dämmer schleicht er von ihr, wenn Sterne einfallen, ist er wieder da! Seine Nächte sind ihr Tag, seine Tage sind ihre Nacht.”

“Zwölf lange Monde war sie sein!” verkündet der Geisterbote, “Jetzt hat er sie noch drei kurze Tage! Sind die vorbei: – sie kehrt zurück in Vaters Arm.” “Und ich mit ihr! O gesegneter Tag!” jubelt die Amme auf. “Doch er?” In einem fallenden Motif voll düsterer Vorahnung singt der Geisterbote: “Er wird zu Stein!” Dann verschwindet er nachdem er die Amme zu Aufmerksamkeit während dieser letzten drei verhängnisvollen Tage ermahnt.

Daraufhin erscheint der Kaiser, im Jagdharnisch, weil es jetzt schwach dämmert und er auf die Jagd gehen will. Er ermahnt nun auch seinerseits die Amme zu Aufmerksamkeit, denn er enthüllt ihr, dass er heute bis an die Mondberge streifen wird und seine Hunde über das schwarze Wasser schicken will, wo er seine Herrin fand, “und sie hatte den Leib einer weißen Gazelle und warf keinen Schatten und entzündete mir das Herz.”

Er beklagt in einer leidenschaftlichen und ausgedehnten Arie, in der die Atemlosigkeit der Ereignisfolge selbst evoziert wird, dass er seinen roten Falken an dem Tag verloren habe, denn als ihm die weiße Gazelle davon floh “und war wie der Wind und höhnte meiner – und zusammenbrechen wollte mein Ross –, da flog [der rote Falke] der weißen Gazelle zwischen die Lichter – und schlug mit den Schwingen ihre süßen Augen! Da stürzte sie hin und ich auf sie mit gezücktem Speer – da riß sich’s in Ängsten aus dem Tierleib, und in meinen Armen rankte ein Weib!”

O wie wollte er seinen roten Falken wiederfinden, singt der Kaiser, “denn ich habe mich gesündigt gegen ihn in der Trunkenheit der ersten Stunde: denn als sie mein Weib geworden war, da stieg Zorn in mir auf gegen den Falken, dass er es gewagt hatte, auf ihrer Stirn zu sitzen und zu schlagen ihre süßen Lichter! Und in der Wut warf ich den Dolch gegen den Vogel und streifte ihn, und sein Blut tropfte nieder.” (Interessant, die ganzen Leitmotife, die hier in der Musik zum ersten Mal aufklingen aber durch die ganze Oper hindurch erkennbar wiederkehren.)

Die Amme fragt: “Herr, wenn du anstellst ein solches Jagen – leicht bleibst du dann fern über Nacht?” Seine große Arie geht dann zu Ende mit seiner Antwort, dass er wohl drei Tage (!) nicht mehr heim kommt. Aber er richtet aus, die Amme möchte der Herrin sagen, “wenn ich jage, es ist um sie und aber um sie! Und was ich erjage, mit Falke und Hund, und was mir fällt von Pfeil und Speer: es ist für die Herrin! Denn meiner Seele und meinen Augen und meinen Händen und meinem Herzen ist sie die Beute aller Beuten ohn’ Ende!”

Kaum ist der Kaiser fort, erwacht die Kaiserin und die Exposition geht weiter. Im Orchester hören wir nun die aufdämmernde Morgenröte, sowie das Zwitschern und den Morgengesang der Vögel. In einer Vogelähnlichen Koloratur beklagt sich die Kaiserin, dass sie so früh geweckt wurde, denn sie hatte gehofft, sich in eines Vogels leichten Leib zurückzuträumen, oder in den Leib einer jungen weißen Gazelle. Sie beklagt die Tatsache, dass sie sich nicht mehr verwandeln kann, denn in der Trunkenheit der ersten Stunde habe sie einen Talisman vorloren, der ihr solche Verwandlungen ermöglichte.

Sie wäre sogar noch gern die flüchtige Beute seiner Falken, singt sie, woraufhin, siehe da! genau der rote Falke von damals erscheint und in der Nähe aufbäumt. Sie merkt, dass von seinem Fittich immer noch Blut tropft und aus seinen Augen Tränen fließen.

“Warum weinst du?” fragt sie den Falken. In seiner ätherischen Vogelstimme antwortet er: “Wie soll ich denn nicht weinen? Wie soll ich denn nicht weinen? Die Frau wirft keinen Schatten, der Kaiser muß versteinen!”

Jetzt fällt ihr jäh wieder ein, dass dem verlorenen Talisman ein Fluch eingegraben war, “gelesen einst, vergessen, ach! Nun kam es wieder: – Die Frau wirft keinen Schatten, der Kaiser muß versteinen.”

Zum ersten Mal einsichtig, was dies bedeutet, wendet sie sich in ihrer Angst und Verzweiflung an die Amme: “Amme, um alles, wo find’ ich den Schatten?” Anstatt auf diese Frage zu antworten, erinnert die Amme kaltblütig sie – und die Zuschauer – an die Bedingungen der Abmachung: “Er hat sich vermessen, dass er dich mache zu seinesgleichen – eine Frist ward gesetzt, dass er es vollbringe. Deines Herzens Knoten hat er dir nicht gelöst, ein Ungebornes trägst du nicht im Schoß, Schatten wirfst du keinen. Des zahlt er den Preis!”

Sie erkennt die unsichtbare Hand ihres Vaters darin und bittet ihn um seine Hilfe, denn sie weiß, dass sie Stärke besitzt, die anderen abgeht. Auch besteht sie auf ihre frühere Bitte an die Amme: “Weh, mein Vater! Schwer liegt deine Hand auf deinem Kind. Doch stärker als andre noch bin ich! Amme, um alles, du weißt die Wege, du kennst die Künste, nichts ist dir verborgen und nichts zu schwer. Schaff mir den Schatten! Hilf deinem Kind!”

Sie fällt vor der Amme nieder. Eine Zeitlang beharrt die Amme auf einer legalistischen und fatalistischen Wiederholung der Vertragsbedingungen. Aber dann, unter der Gewalt des Blickes der Kaiserin, gibt sie zögernd zu, vielleicht doch zu wissen, wie man einen Schatten herbeischaffen könnte. “Ein Spruch ist getan und ein Vertrag! Es sind angerufen gewaltige Namen, und es ist an dir, dass du dich fügest! Unter der Gewalt ihres Blickes, stockend. Den Schatten zu schaffen wüßt ich vielleicht, doch dass er dir haftet, müßtest du selber ihn holen. Und weißt du auch wo?”

“Sei es wo immer,” antwortet die Kaiserin, “zeig mir den Weg, und geh ihn mit mir!” Leise und schauerlich zischt die Amme: “Bei den Menschen! Bei den Menschen! Graust’s dich nicht? Menschendunst ist uns Todesluft. Uns riecht ihre Reinheit nach rostigem Eisen und gestocktem Blut und nach alten Leichen!”

Die Amme wiederholt dieses unwiderstehliche Argument gegen die Menschwerdung – uns aus den Wendersfilmen und dem Gedicht von Szymborska wohl bekannt – indem sie die Kaiserin daran erinnert, wie weit unten, verglichen mit dem kaiserlichen Palast, die Menschen eigentlich hausen: “Dies Haus, getürmt den Sternen entgegen, emporgetrieben spielende Wasser buhlend um Reinheit der himmlischen Reiche! Und nun von hier noch tiefer hinab! Dich ihnen vermischen, hausen mit ihnen, handeln mit ihnen, Rede um Rede, Atem um Atem, erspähn ihr Belieben, ihrer Bosheit dich schmiegen, ihrer Dummheit dich bücken, ihnen dienen! Graust’s dich nicht?”

Als ein fahles Morgenlicht sichtbar wird – ein sehr wichtiges Symbol! – entgegnet die Kaiserin: “sehr bestimmt und gross. Ich will den Schatten! Mit großem Schwung. Ein Tag bricht an! Führ mich zu ihnen: ich will!”

Die Amme erinnert sie daran dass es ein Menschentag ist, der anbricht, dass das ihre Sonne ist, der sie ihre ekelhaften Schatten werfen. Die Amme speit weiter allerhand üble Verleumdungen gegen die Menschen aus, bevor sie dann doch irgendwie zugibt, dass sie es wohl versteht, mit ihnen zu handeln, dass sie unter den Menschen sogar als eine Art Verführerin gehaust hat: “voll Hohn und Geringschätzung. Der Tag ist da, der Menschentag – ein wildes Getümmel, gierig – sinnlos, ein ewiges Trachten ohne Freude! wild und haßerfüllt Tausend Gesichter, keine Mienen – Augen, die schauen, ohne zu blicken – Kielkröpfe, die gaffen, Lurche und Spinnen – uns sind sie zu schauen so lustig wie sie! — Sie zu fassen verstünde ich schon – mich einzunisten – ihnen Streiche zu spielen im eigenen Haus – ist mein Element! Diebesseelen sind ihre Seelen – so verkauf ich einen dem andern! Eine Gaunerin bin ich unter Gaunern, Muhme2 nennen sie mich und Mutter gar! Ziehsöhne hab ich und Ziehtöchter viel, hocken wie Ungeziefer auf mir! Warte, du sollst was sehen!”

Die Kaiserin gibt ihre Furcht zu, doch auch als die Amme sie dazu drängt, ihr Vorhaben aufzugeben, erklärt sie mutig ihre Absicht, fortzufahren: ohne auf die Amme zu achten “Weh, was faßt mich gräßlich an! Zu welchem Geschick reißts mich hinab?

Die Amme sagt, dicht an ihr: “Zitterst du? Reut dich dein Wünschen? Heißest uns bleiben? Lässest den Schatten dahin?”

Die Kaiserin erwidert: “Mich schaudert freilich, aber ein Mut ist in mir, der heißt mich tun, wovor mich schaudert! Und kein Geschäft außer diesem, das wert mir schien besorgt zu werden! Hinab mit uns! Hinab! Der Kaiser muß versteinen! Hinab mit uns, hinab!” Bei diesen bedeutungsvollen Worten flammt, nach Bühnenanweisung, das Morgenrot voll auf.

Die Amme, die sich nun fast anhört wie eine alte Hexe am Besen reitend, stimmt zu dem Flug zu: “Hinab denn mit uns! Die Geleiterin hast du dir gut gewählt, Töchterchen, liebes, warte nur, warte! Um ihre Dächer versteh ich zu flattern, durch den Rauchfang weiß ich den Weg, und ihrer Herzen verschlungene Pfade, Krümmen und Schlüfte, die kenne ich gut.” Zu einer verwunderlich zauberhaften Flugmusik wenden sich die beiden zur Erde.

Die Szene ist nun das ärmliche Haus des Färbers, Barak. Als der Vorhang aufgeht, ist die übeltönende Flugmusik nahtlos in eine Art lärmender Kampfbegleitung übergegangen, denn zwei Brüder des Färbers, ein Einarmiger und ein Einaugiger, wollen einander umbringen. Ein dritter Bruder, ein verwachsener, versucht, sie auseinander zu halten. Die Färbersfrau kommt dazu und schüttet Wasser über sie aus, wie auf kämpfende Hunde. Daraufhin wenden sie ihren Zorn auf die Frau. Als Barak eintritt, verlangt sie gellend dass die Brüder aus dem Haus geworfen werden sollten oder sie bleibt selber nicht mehr dort.

Barak schickt seine Brüder sanft aber fest wieder an die Arbeit, indem er ihnen sagt, dass es zehn Körbe voll Zeug zu schwemmen gäbe, “was lungert ihr hier?” Als seine Frau ihre Forderung wiederholt, zeigt er auf ihre Essschüssel und fragt, wo sie wohl wohnen würden, wenn er sie hinauswirft. In seiner zärtlichen Arie hat er seine Brüder noch als Kinder in Erinnerung, ohne Gebrechen und Mängel, doch die Frau unterbricht ihn, denn sie hat dieses Lied zum Überdruß schon zu oft gehört: “Hier steht die Schüssel, aus der sie sich stillen. Wo sollten sie herbergen, wenn nicht in Vaters Haus? Die Frau schweigt böse”

Barak singt wie vorher, ohne aufzustehen: “Kinder waren sie einmal, hatten blanke Augen, gerade Arme, und einen glatten Rücken. Aufwachsen hab ich sie sehn in Vaters Haus.”

Seine Frau, ihn höhnend: “Für dreizehn Kinder standen die Schüsseln dampfend von Fett – kam noch ein Bettler, Platz war für jeden! Sie hält sich die Ohren zu.”

Barak, der einen großen Ballen gefärbter Tierhäute zusammen bindet, singt nun aufs innigste und schönste das verspottete Lied zu Ende. Er holt ein Tau, den Pack zu schnüren; hält inne, sieht sie an: “Speise für dreizehn, wenn es not tut, schaff’ ich auch mit diesen zwei Händen! hat sich aufgerichtet, steht dicht bei ihr Gib du mir Kinder, dass sie mir hocken um die Schüsseln zu Abend, es soll mir keines hungrig aufstehn. Und ich will preisen ihre Begierde und danksagen im Herzen, dass ich bestellt ward, damit ich sie stille. Er tritt näher, rührt sie leise an. Wann gibst du mir die Kinder dazu? Die Frau hat sich abgekehrt; wie er sie anrührt, schüttelt sie’s. Ei du, ‘s ist dein Mann, der vor dir steht – soll dich der nicht anrühren dürfen?”

Die bittere Antwort seiner Frau überzeugt den sanften Barak, dass sie vielleicht ein Kind erwartet. Er hatte ja alte weise Weiber konsultiert und deren Mittel zu sich genommen, wie es scheint, denn sie singt, ohne ihn anzusehen: Mein Mann steht vor mir! Ei ja, mein Mann, ich weiß, ei ja, ich weiß, wie das heißt! Bin bezahlt und gekauft, es zu wissen, und gehalten im Haus und gehegt und gefüttert, damit ich es weiß, und will es von heute ab nicht wissen, verschwöre das Wort und das Ding!”

Barak ist optimistisch: “Heia! Die guten Gevatterinnen, haben sie nicht die schönen Sprüche gesprochen über deinen Leib, und ich habe siebenmal gegessen von dem, was sie gesegnet hatten,und wenn du seltsam bist und anders als sonst – ich preise die Seltsamkeit und neige mich zur Erde vor der Verwandlung! O Glück über mir und Erwartung und Freude im Herzen!” Er kniet nieder zur Arbeit.

Seine Frau ist anderer Meinung: “Triefäugige Weiber, die Sprüche murmeln haben nichts zu schaffen mit meinem Leib, und was du gegessen hast vor Nacht, hat keine Gewalt über meine Seele. Leise Dritthalb Jahr bin ich dein Weib – und du hast keine Frucht gewonnen aus mir und mich nicht gemacht zu einer Mutter. Gelüste danach hab ich abtun müssen von meiner Seele: Nun ist es an dir, abzutun Gelüste, die dir lieb sind.

Barak spricht mit ungezwungener Feierlichkeit und Frömmigkeit des Herzens: “Aus einem jungen Mund gehen harte Worte und trotzige Reden, aber sie sind gesegnet mit dem Segen der Widerruflichkeit. Ich zürne dir nicht und bin freudigen Herzens,und ich harre und erwarte die Gepriesenen die da kommen.” Barak hat den gewaltigen Pack zusammengeschnürt, hebt ihn auf den Herd und lädt ihn von da, indem er sich bückt und das Ende des Strickes vornüberzieht, auf seinen Rücken; beladen richtet er sich auf.

Die Färberin guckt finster vor sich und sagt: “Es kommen keinein dieses Haus, viel eher werden welche hinausgehen und schütteln den Staub von ihren Sohlen. Fast tonlos Also geschehe es, lieber heute als morgen.

Barak nickt ihr gutmütig zu, ohne auf ihre letzten Worte zu hören; indem er, unter der gewaltigen Last schwer gehend, den Weg zur Tür nimmt, vor sich: “Trag ich die Ware selber zu Markt spar ich den Esel, der sie mir schleppt!” Er geht.

Die Herzen der Menschen kennend, wie sie behauptet, hat die Amme ihr Ziel gut gewählt: genau als die Frau die verhängnisvollen Worte der Verschwörungsformel tonlos murmelt: “Also geschehe es, lieber heute als morgen,” welche ihre ehelichen und mütterlichen Pflichten absagt, erscheinen Amme und Kaiserin, diese als Dienstmagd angezogen, jene in einem schwarzweißen Kleid. Sie sind auch nicht zur Tür hereingekommen. Die Färberin springt auf und will wissen wer sie sind und wie sie hereingekommen sind!

Ohne zu antworten, fällt ihr die Amme zu Füssen und bricht in glühendem Lob der Schönheit der Färberin aus: “Ach!Schönheit ohnegleichen! Ein blitzendes Feuer! Oh! Oh! Meine Tochter,vor wem stehen wir? Wer ist diese Fürstin, wo bleibt ihr Gefolge?Wie kommt sie allein in diese Spelunke? Sie hebt sich furchtsam aus der fußfälligen Lage. Verstattest du die Frage, meine Herrin? War dieser einer von deinen Bedienten oder von deinen Botengängern der Große mit einem Pack auf dem Rücken, solch ein Vierschrötiger, nicht mehr Junger, mit gespaltenem Maul und niedriger Stirne?”

Als die Färberin sagt, die Amme weiß genau, dass er ihr Mann ist, beklagt sich die Amme über das Unrecht, dass eine solche Schöne einem solchen Biest Kinder gebären sollte und hier in solchem Elend einsam verkümmern muß.

Weinend wirft die Frau der Amme vor, sie sei gekommen, sie zu verhöhnen und zu foppen. Darauf hin heuchelt die Amme, dass sie wegwill und sagt: “Sie kennt das Geheimnis und will unser spotten, fort mit uns!”

Dieses stachelt die Neugierde der Färberin an und sie fragt: welches Geheimnis? “Das Geheimnis des Kaufs,” antwortet die Amme geheimnisvoll, “und das Geheimnis des Preises, um den du dir alles erkaufst.”

Die Frau weiß nichts von Preis und Kauf, aber die Amme fährt fort: “Oh, meine Herrin, soll ich dir glauben, dass du deinen Schatten, dies schwarze Nichts hinter dir auf der Erde, dass dir dies Ding ohne Namen nicht feil ist – auch nicht um unvergänglichen Reiz und um die Macht ohne Schranken über die Männer?”

Die Frau dreht sich nach ihrem Schatten um: “Der gekrümmte Schatten eines Weibes, wie ich bin! Wer gäbe dafür auch nur den schmählichsten Preis?” Die Amme sagt: “Alles, du Benedeite, alles zahlen begierige Käufer, du Herrin, wenn eine Unnennbare deinesgleichen abtut ihren Schatten und gibt ihn dahin! Ei! Die Sklavinnen und die Sklaven, so viel ihrer du verlangest, und die Brokate und Seidengewänder, in denen du stündlich wechselnd prangest, und die Maultiere und die Häuserund die Springbrunnen und die Gärten und deiner Liebenden nächtlich Gedränge und dauernde Jugendherrlichkeit für ungemessene Zeit – dies alles ist dein, du Herrscherin, gibst du den Schatten dahin!” Sie greift in die aufblitzende Luft und reicht der Frau ein köstliches Haarband aus Perlen und Edelsteinen.

Wenn die Frau sagt, sie hat keinen Spiegel, dass sie sich ihre Haare über einem Wassertrog machen muß, legt die Amme ihre Hand über ihre Augen und die Szene ist sofort ein herrlicher Pavillion. Der Boden scheint ein bunter Teppich zu sein, aber es ist in Wirklichkeit eine Menge Sklavinnen in bunten Gewändern. Diese singen ihr schöne Lobesklänge zu.

Die Amme führt die Färberin, wie aus dem Bade kommend nur in einem leichten Gewand bekleidet in dieses Gemach vor einen Spiegel und fragt sie, ob sie nicht den hohlen Schatten um dieses Spiegelbild gebe. Man hört die Stimme eines jungen Mannes, der singt: “Gäb ich um dies Spiegelbild doch die Seele und das Leben!”

Als sie den Mund aufmacht, um zu sagen, dass sie bestimmt im Wachen träumt, verschwindet der Pavillion und sie befindet sich wieder im Färberhaus. Dann fragt sie sehr aufgeregt die Amme wie das funktionieren würde: “Und hätt’ ich gleich den Willen dazu – wie tät’ ich ihn ab und gäb’ ihn dahin – den an der Erde,ihn, meinen Schatten? Nein, sag doch schnell! Nein, schnell doch, schnell, du Kluge, du Gute! Jetzt sag es, schnell!”

Die zynische Amme reiht Suggestivfragen zusammen: “Hat es dich blutige Tränen gekostet, dass du dem Breitspurigen keine Kinder geboren hast? Und lechzt dein Herz darnach bei Tag und Nacht, dass viele kleine Färber durch dich eingehen sollen in diese Welt? Soll dein Leib eine Heerstraße werden und deine Schlankheit ein zerstampfter Weg? Und sollen deine Brüste welken und ihre Herrlichkeit schnell dahin sein?”

Die Frau erwidert leise: “Meine Seele ist satt worden der Mutterschaft, eh’ sie davon verkostet hat. Ich lebe hier im Haus,und der Mann kommt mir nicht nah! So ist es gesprochen und geschworen in meinem Innern.”

Die Amme baut auf diese eidähnliche Äußerung indem sie der Frau folgende verträgliche Worte in den Mund legt: “AbzutunMutterschaft auf ewige Zeiten von deinem Leibe! Dahinzugeben mit der Gebärde der Verachtung die Lästigen, die da nicht geboren sind! So ist es gesprochen und so geschworen!”

Als ob es eine umgekehrte Mariä-Verkündigung wäre, wiederholt dieser dunkle Engel die Litanei des Lobs und der Schmeichelei, bevor sie zu den Bedingungen des juristischen mephistophelischen Teufelspaktes zurückkommt: “Du Seltene du! Du erhobene Fackel! O du Herrscherin, o du Gepriesene unter den Frauen, nun sollst du es sehen und es erleben: angerufen werden gewaltige Namen und ein Bund geschlossenund gesetzt ein Bann! Tage drei dienen wir dir hier im Haus,diese und ich, dies ist gesetzt! Sind die vorbei, dem Dienst zum Lohn von Mund zu Mund, von Hand zu Hand mit wissender Hand und willigem Mund gibst du den Schatten uns dahin und gehest ein in der Freuden Beginn! Und die Sklavinnen und die Sklaven und die Springbrunnen und die Gärten und die Gewölbe voll Tonnen Goldes...”

Hier wird die Amme jäh unterbrochen, denn Barak kehrt nach Hause und wird sein Nachtmahl haben wollen, das nicht bereit ist und in ihrem Bett schlafen, das sie nicht mehr mit ihm teilen will. Die Amme versichert sie: “Du bist nicht allein: Dienerinnen hast du, diese und mich... Jetzt schnell, was nottut!”


Dann macht sie sich daran, auf ihrer zauberhaften Weise das Abendessen vorzubereiten und das Bett zu teilen: “Fischlein fünf, aus Fischers Zuber, wandert ins Öl, und Pfanne empfang’ sie! Feuer rühr dich! Hierher, du Bette des Färbers Barak! Und fort mit den Gästen, von wo sie kamen!”

Die Fische fliegen aus dem Zuber in die Pfanne, das Bett teilt sich, und Amme und Kaiserin verschwinden, wie sie gekommen waren.

Plötzlich hört die Färberin die ängstlichen Stimmen von fünf Kindern aus der Luft, als ob es die fünf Fischlein wären: “Mutter, Mutter, laß uns nach Hause! Die Tür ist verriegelt, wir finden nicht ein, wir sind im Dunkel und in der Furcht! Mutter, o weh!”

Die Frau ist in höchster Angst über das Unbegreifliche, ratlos um sich blickend: “Was winselt so gräßlich aus diesem Feuer?” Die Kinderstimmen antworten dringender: “Wir sind im Dunkel und in der Furcht! Mutter, Mutter, laß uns ein! Oder ruf den lieben Vater, dass er uns die Tür auftu’!”

Die Frau ist in großer Angst: “O fänd’ ich Wasser, dies Feuer zu schweigen!” die Flamme unterm Herd wird zusehends schwächer.

Die Kinderstimmen verhauchend: “Mutter, o weh! Dein hartes Herz!” Die Frau sinkt vorne auf ein Bündel, wischt sich den Angstschweiß von der Stirne.

Barak kommt herein, sein frohes Lied vom Esel und von Ware-selber-zu-Markt-tragen immer noch singend. Er riecht die kochenden Fische, aber als seine Frau nicht mit ihm essen will, setzt er sich traurig nieder und nagt an einem Brotstück. Er beharrt auf der Meinung, ihr Benehmen sei vielleicht durch eine etwaige Schwangerschaft erklärbar, aber er trägt es hart, und das Essen will ihm nicht schmecken.

Als er allein zu Bette geht, hört man plötzlich die Stimmen der Stadtwächter draußen singen: “Ihr Gatten in den Häusern dieser Stadt, liebet einander mehr als euer Leben und wisset: nicht um eures Lebens willen ist euch die Saat des Lebens anvertraut,sondern allein um eurer Liebe willen! Ihr Gatten, die ihr liebend euch in Armen liegt, ihr seid die Brücke, überm Abgrund ausgespannt, auf der die Toten wiederum ins Leben gehn! Geheiligt sei eurer Liebe Werk!”

Barak findet sich ungern aber geduldig damit ab, allein schlafen zu müssen, seufzt und sagt: “Seis denn!” als der Vorhang zum ersten Aufzug fällt.

Der zweite Aufzug beginnt mit Barak, wiederum mit Waren beladen, sich mit seinen Brüdern, auch je mit einem großen Pack, zum Markt begibt. Jetzt, wo die Luft rein ist, fragt die Amme die Färberin, die im Spiegel ihr mit Perlen durchflochtenes Haar bewundert, ob sie einen gewissen jemand heraufbeschwören sollte.

Die Färberin weiß nicht, was sie damit meint, sie kenne nur einen Mann, den Barak. Die Amme meint einen, “den flüchtig Begegneten, heimlich Ersehnten, den du mit niedergeschlagenen Augen dennoch ansahest – und warst ihm zu Willen in deinen Gedanken – erbarme dich seiner!”

Ihr Erröten verrät, dass sie einmal einem solchen begegnet war: “ich weiß kaum die Gasse, wo ich ihn traf, nicht das Viertel der Stadt noch seinen Namen! Nur, dass ich auf einer Brücke ging unter vielen Menschen, als einer mir entgegen kam, ein Knabe fast, der meiner nicht achtete... mit hochmütigem Blick – und des ich gedachte, heimlich, zuweilen, um Träumens willen!”

Die Amme nimmt einen Strohwisch vom Boden, wirft ihn über die Frau und durch Hokuspokus zaubert sie eine Geistererscheinung in Form dieses jungen Mannes hervor.

Die Kaiserin ist zutiefst unglücklich darüber, solche Zauberei mit ansehen zu müssen und ihre Gefühle sind verletzt, dass Menschen anscheinend so käuflich sind. Zur Amme sagt sie: “Sind so die Menschen? So feil ihr Herz?” Hinter der Hand erwidert die Amme ihr altes Lied: “Kielkröpfe und Molche sind zu schauen so lustig wie sie!”

Als die Färberin langsam und unwillkürlich die Hände gegen den Jüngling hebt, will die Amme die Kaiserin fortführen, damit das Paar allein sei. Aber die Kaiserin ist hellhörig und merkt, dass Barak sich wieder nähert. Ihre Worte lassen ihren wachsenden Sinn für Gerechtigkeit und ihre wachsende Bewunderung für die Menschlichkeit von Barak erkennen: “Ach! Weh! Dass sie sich treffen müssen, der Dieb und der, dem das Haus gehört, der mit dem Herzen und der ohne Herz!”

Die Amme sagt: “Voneinander! Ihr ist gegeben, zu hören, was fern ist, sie meldet: der Färber kehrt nach Hause!”

Die Amme wirft ihren Mantel über den Jüngling, der Raum verdunkelt sich jäh, und als es wieder hell wird, ist der Knabe verschwunden. Auf dem Boden liegt der Strohwisch.

Barak tritt herein, auf den Armen eine riesengroße kupferne Schüssel tragend, voll Essen. Seine Brüder tragen auch allerhand zu essen und zu trinken mit. Bettlerkinder drängen sich ihnen nach zur Tür herein. Barak wird also heute seine Waren gut verkauft haben und will ein großes Festmahl veranstalten. Allmählich nimmt dies biblische Symbolik an.

Seine Frau beklagt sich bitterlich und sarkastisch: “Wahrlich, es ist angelegt aufs Zertreten des Zarten, und es siegt das Plumpe,und dem, der Brot will, wird ein Stein gegeben! Und wer von der Schüssel der Träume kostete, zu dem treten Tiere und halten ihm den Wegwurf hin vom Tisch des Glücklichen, und er hat nichts, wohin er sich flüchte, als in seine Tränen! Das ist meine Rede, du glückseliger Barak!”

Nach einer Pause der Resignation, sagt Barak: “Esset, ihr Brüder, und lasset euch wohl sein! Ihre Zunge ist spitz, und ihr Sinn ist launisch, aber nicht schlimm – und ihre Reden sind gesegnet mit dem Segen der Widerruflichkeit um ihres reinen Herzens willen und ihrer Jugend.”

Es kommen noch mehr Waisenkinder, Nachbarn, alte Weiber und Krüppel herbei, auch Hunde. Barak heißt sie alle willkommen und stopft den Kindern gute Bissen in den Mund. Er bietet auch der Kaiserin was an und schickt sie zu seiner Frau um zu fragen, ob sie auch nicht vom “Zuckerwerk” haben will oder vom “Eingemachten mit Zimmet.” Seine Frau will aber nicht. Zu der Kaiserin sagt sie: “Meinen Pantoffel in dein Gesicht, du Schleichende! Bitternis will ich tragen im Mund und sie nicht verzuckern! Was brauch’ ich Gewürze, der Gram verbrennt mich! Um der grausamen Tücke willen und des erbärmlichen Geschickes!”

Erst die Brüder, dann alle, loben Barak ob seinem Grossmut. Er erwidert auf seiner lebensbejahenden Weise, die in solch starkem Gegensatz zu der lebensverneinenden Meinung der Amme steht: “Hier ist vom Guten, lasset euch wohl sein, meine Brüder, und freuet euch, dass ihr lebt! Es ist euch gegönnt, und ihr seid mir anstatt der Kinder!”

Jetzt verwandelt sich die Bühne. Wir sehen das kaiserliche Falknerhaus, einsam im Walde. Der Kaiser wurde von seinem wiedergefundenen roten Falken hierher geführt. Er hatte auch von einem Boten ein Schreiben von seiner Frau erhalten, in dem stand, dass dieses Haus für sie und die Amme drei Tage lang ihre Wohnung sein wird. Während er das Haus beobachtet, kommen Amme und Kaiserin herangeschwebt und schlüpfen ins Haus.

Der Kaiser merkt, dass sie unter Menschen gewesen sein müssen: “O weh, Falke, o weh! Wo kommen sie her! Wehe, o weh! Menschendunst hängt an ihr, Menschenatem folgt ihr nach, wehe, dass sie mir lügen kann – wehe, dass sie nun sterben muß!”

Aber er kann sie nicht töten, denn seine ganzen Waffen waren es, auch die bloßen Hände, die ihm damals geholfen haben, sie zu gewinnen. Traurig wendet er sich davon: “Auf, mein Pferd, und du, Falke, voran! Und führ m ich hinweg von diesem Ort,wohin dein tückisches Herz dich heißt, führ mich ins öde Felsengeklüft, wo kein Mensch und kein Tier meine Klagen hört! Wehe, o weh!”

Die Szene verwandelt sich wieder in das Haus des Färbers. Es ist ein heißer Tag und die Arbeit geht nicht gut voran. Die Amme und die Färberin sind ungeduldig; sie wollen Barak aus dem Haus damit sie’s nocheinmal mit der Beschwörung des jungen Mannes versuchen können. Als er seine Frau um einen Trunk bittet, gießt die Amme verstohlen einen Saft darein. Er schläft auf einem Sack Kräuter ein.

Die Färberin ist nun eigentlich böse mit der Amme, dass sie dieses ihrem Mann angetan hat, denn sie hat Angst um Barak. (Das ist das erste Zeichen von ihrer Reue, von einem Bruch mit der teuflischen Amme, und dass sie am Ende doch umkehrt und ein Mensch wird.): “Ich will nicht in deinen Händen sein, und dass du ausspähest all mein Verborgenes, du alte weiß und schwarz gefleckte Schlange!”

Als die Amme den Jüngling trotzdem aufbeschwört, nennt sie die Färberin das zweite Mal eine Schlange: “Schlange, was habe ich mit dir zu schaffen!”

Als der Jüngling nach ihrer Hand faßt, fährt die Frau mit einem Schrei zurück. Laut Bühnenanweisung ist sie jäh verwandelt. Sie eilt zu Barak hin, rüttelt ihn, bespritzt ihn mit Wasser; die Kaiserin ist bei ihr, hilft ihr.

Die Amme wirft nochmals ihren Mantel über den jungen Mann. Barak erwacht und, schlaftrunken, sucht nach seinem Hammer, um sein Haus vor Eindringlingen zu schützen. Und obwohl seine Frau ihn wieder spottet und droht, ihn zu verlassen, steht sie am Anfang eines langen Prozesses, der sie am Ende zu ihm zurückführen wird, denn in diesem kritischen Augenblick hatte sie instinktiv Sorge für ihren Mann an den Tag gelegt und hat ihn instinktiv um Hilfe gebeten, als der Jüngling sie erschreckte.

Barak kann die Gewalt nicht verstehen, die im Dunkeln über ihn herrscht. Sein bester Mörser ist ihm zersprungen – und als er sich so jäh schlafen legte, hat er den Leim vergossen. Er fürchtet, er könnte sein Handwerk verlernen und Kinder nicht ernähren können.

Als seine Frau hinausgeht, um vielleicht auf dem Flusse zu fahren, wie sie kokett sagt, oder “vielleicht zu wandeln neben den Gärten oder was immer die Lust mich wird heißen – kann sein, dann komme ich eines Abends nicht wieder heim zu dir,” bleibt die Kaiserin bei Barak und hilft ihm, sein zerstreutes Werkzeug wieder einzusammeln.

Die Szene verwandelt sich wieder. Die Kaiserin im Falknerhaus murmelt vor sich hin im Schlafe: “Sieh – Amme – sieh des Mannes Aug’, wie es sich quält! traumhaft, feierlich Vor solchen Blicken liegen Cherubim auf ihrem Angesicht! – nach einer Stille, jäh auffahrend, mit ausgebreiteten Armen Dir – Barak – bin ich mich schuldig!”

Laut Bühnenanweisung schläft sie wieder fester ein. Was sie im Traum erlebt, wird auf der Bühne sichtbar: Die Wand des Gemachs schwindet, und man sieht in eine gewaltige Höhle, die durch einen Spalt ins Freie mündet. Düstere Lampen, da und dort, erleuchten matt uralte, in den Basalt gehauene Grabstätten. Zur Rechten gewahrt man eine eherne Tür, ins Innere des Berges führend. Des Falken Ruf wird hörbar. Dann dringt der Kaiser, als folge er dem Falken nach, mit den Händen sich vorwärtstastend, durch den Spalt in die Höhle. Die Kaiserin bewegt sich im Schlaf, stöhnt einmal leise auf. Der Kaiser nimmt eine der Grablampen; in seiner Hand leuchtet sie hell auf, er wird die eherne Tür gewahr. Ein Rauschen dringt durch diese wie von fallendem Wasser.

Ein Chor singt aus dem Innern des Berges. lockend: “Zum Lebenswasser!” drohend: “Zur Schwelle des Todes!” lockend: “Nahe! Wage!” drohend: “Wehe! Zage!” Der Kaiser geht gegen die Tür. Der Falke umschwirrt ihn, stößt klägliche, abmahnende Rufe aus. Der Kaiser pocht an die Tür, die sich öffnet und ein einläßt, dann wieder schließt.

Die Stimme des Falken wird vernommen: “Die Frau wirft keinen Schatten, der Kaiser muß versteinen!”

Hier verschwindet die Höhle, die Lampen im Schlafgemach der Kaiserin leuchten stärker auf und sie fährt mit einem Geschrei aus dem Schlummer empor als hätte sie das alles, und noch mehr, in einem Traum: “Wehe, mein Mann! Welchen Weg! Wohin? Durch meine Schuld! Die Tür fiel zu, als wär’s ein Grab. Er will heraus und kann nicht mehr. Ihm stockt der Fuß, sein Leib erstarrt. Die Stimme erstickt. Sein Auge, nur schreit um Hilfe! Weh, Amme, kannst du schlafen! Da und dort alles istmeine Schuld – Ihm keine Hilfe, dem andern Verderben – Barak, wehe! Was ich berühre, töte ich! Weh mir! Würde ich lieber selber zu Stein!”

Wieder im Haus des Färbers versucht Barak, seinem Handwerk nachzugehen, aber obwohl es Tag ist, wird es immer dunkler. Die Brüder kommen herbei um zu berichten, dass die Sonne mitten am Tage ausgeht und der Fluß bleibt stehen und will nicht mehr fließen. Die Amme sagt der Kaiserin seitwärts, dass Übermächte im Spiel seien, dass ihr Unternehmen bedroht sei, “aber wir werden anrufen gewaltige Namen, und dir wird werden, worauf du deinen Sinn gesetzt hast!”

Daraufhin sagt die Kaiserin für sich, durch ihre Beobachtungen unter den Menschen und durch ihre Träume unterrichtet, folgende bedeutende Worte: “Wehe, womit ist die Welt der Söhne Adams erfüllt! Und wehe, dass ich hereinkam, ihren Gram zu vermehren und ihre Freude zu versehren! Gepriesen sei, der mich diesen Mann finden ließ unter den Männern, denn er zeigt mir, was ein Mensch ist, und um seinetwillen will ich bleiben unter den Menschen und atmen ihren Atem und tragen ihre Beschwerden!”

Die Dunkelheit vertieft sich, nur von Blitzschlägen dann und wann unterbrochen, und die Brüder heulen vor Furcht auf. Die Färberin stößt einen langen Wortschwall hervor, in dem sie Barak verhöhnt, ihm offenbart, dass sie ihm untreu gewesen sei, aber dass sie ihn nicht hat loslassen können, und dass sie, um den Bruch mit ihm nun entgültig zu machen, ihren Schatten verkauft habe: “Aber ich bin nicht in deiner Hand, hörst du mich, Barak? Und wenn du ausgegangen warst und trugest dir selber die Ware zu Markt, so habe ich meinen Freund empfangen, einen Fremdling unter den Fremdlingen, und wenn ich dich weckte aus deinem Schlaf, so kam ich aus seiner Umarmung! Dies alles tat ich hier im Hause drei Tage lang: aber die Freude war mir vergällt, denn ich mußte dich denken, wo ich dich hätte vergessen wollen, und dein Gesicht kam hin, wo es nichts zu suchen hatte! Aber es ist mir zugekommen, wie ich dir entgehe und dich ausreiße aus mir, und jetzt weiß ich den Weg! Barak steht jäh auf; die Brüder taumeln zur Seite. Abtu’ ich von meinem Leibe die Kinder die nicht geborenen, und mein Schoß wird dir nicht fruchtbar und keinem andern, sondern ich habe mich gegeben den Winden und der Nachtluft und bin hier daheim und wo anders, und des zum Zeichen habe ich meinen Schatten verhandelt: und es sind die Käufer willig, und der Kaufpreis ist herrlich und ohnegleichen!”

Barak ist entsetzt: “Das Weib ist irre, zündet ein Feuer an, damit ich ihr Gesicht sehe!” Als das Feuer aufflammt, sehen alle mit Erstaunen, dass sie keinen Schatten wirft! Barak wird von Berserkerwut ergriffen.

Die Brüder sollen einen Sack mit schweren Steinen herbeischaffen, damit er sie im Fluß ertränken kann. Seine Brüder versuchen ihn zurückzuhalten, denn sie fürchten die Konsequenzen: “Kein Blut auf deine Hände, mein Bruder! Auf und jage sie aus dem Hause, einer Hündin Geschick über sie in Gosse und Graben!”

Barak erwidert: “Helft ihr mir nicht, tret’ ich euch nieder! Ich hab’ es verhängt in meiner Seele und will es vollziehen mit meinen Händen!” Wie er, gleichsam zum Schwur, die Rechte nach oben reckt, stürzt ihm aus der Luft ein blitzendes Schwert in die Hand. Die Brüder haben vereint kaum die Kraft, ihn zu halten.

Es ist die Amme, die mit dämonischer Lust und in ihrem Haß auf die Menschen das Schwert hervorgezaubert haben muß: “Wer schreit nach Blut und hat kein Schwert, dem wird von uns die Hand bewehrt! Und fließt nur schnell das dunkle Blut, wir haben den Schatten, und uns ist gut!”

An dieser Stelle fällt die erste große Entscheidung der Kaiserin menschlich aus: “Ich will nicht den Schatten: auf ihm ist Blut,ich fass’ ihn nicht an. Meine Hände reck’ ich in die Luft, rein zu bleiben von Menschenblut! Sternennamen ruf’ ich an gegen mich, diese zu retten, geschehe, was will!”

Baraks Frau, laut Bühnenanweisung, ist in sprachlosem Schreck über die Wirkung ihrer frevelhaften Rede nach links hinübergeflüchtet; allmählich geht in ihr eine ungeheure Veränderung vor; leichenbleich, aber verklärt, mit einem Ausdruck, wie sie ihn nie zuvor gehabt hat, trägt sie sich Barak und dem tödlichen Schwertstreich entgegen; zugleich, stellenweise dominierend, singt sie folgende Worte: “Barak, ich hab’ es nicht getan! Noch nicht getan! Höre mich, Barak! Verräter ward mein Mund an mir, zuvor die Seele die Tat getan! Muß ich sterben vor deinem Angesicht, muß ich sterben, um was nicht geschah, o du, den zuvor ich niemals sah, mächtiger Barak, strenger Richter, hoher Gatte – Barak, so töte mich, schnell!” Barak hebt das Schwert, das in seinen Händen funkelt und von dem Blitze ausgehen, die den dunklen Raum – denn das Feuer ist zusammengesunken – zuckend erleuchten.

Seine Brüder hängen sich mit letzter Kraft an ihn; zugleich: “Sie werden dich behängen mit Ketten und dich erschlagen mit der Schärfe des Schwertes, erbarme dich unser, o unser Vater!”

Jetzt wird’s interessant. Die Bühnenanweisung selbst dürfte die beste Beschreibung der Ereignisse sein: Indem Barak zum Streich ausholt, erlischt das funkelnde Schwert plötzlich und scheint ihm aus der Hand gewunden – ein dumpfes Dröhnen macht das Gewölbe erzittern, die Erde öffnet sich, und durch die geborstene Seitenmauer tritt der Fluß herein. Indes die Brüder, ihr Leben zu retten, zur Tür hinausflüchten, sieht man Barak und die willenlos vor ihm liegende Frau, aber jedes für sich, versinken. Die Amme hat die Kaiserin mit sich auf einen erhöhten Platz an der Mauer des Gewölbes emporgerissen und deckt sie mit ihrem Mantel. Man hört aus dem Dunkel, das alles verhüllt, ihre Stimme.

Die Amme schreit: “Übermächte sind im Spiel! Her zu mir!”3

So dramatisch endet der zweite Aufzug. Der Vorhang zum dritten geht auf und offenbart unterirdische Gewölbe, durch eine querlaufende dicke Mauer in zwei Kammern geteilt. Barak sitzt auf der rechten Seite, seine Frau auf der linken. Sie wissen nicht von einander, hören einander nicht.

Dunkle Musik voll düsterer Vorahnung geht allmählich in die Melodie über, welche die Ungeborenen gesungen, als die Stimmen aus den Fischlein im Feuer zu kommen schienen. Die Frau erkennt die Stimmen der Ungeborenen und schreit auf: “Schweiget doch, ihr Stimmen! Ich hab’ es nicht getan! – Barak,mein Mann, oh, dass du mich hörtest, dass du mir glaubtest, vor meinem Tode! – Dich wollt’ ich verlassen, o du, den zuvor niemals ich sah! Dich wollt’ ich vergessen und meinte zu fliehen dein Angesicht: dein Angesicht, es kam zu mir – O dass du mich hörtest, o dass du mich glaubtest. – Dich wollt’ ich vergessen – da mußte ich dich denken: und wo ich ging’ verbotene Wege, dein Angesicht...es kam zu mir und suchte mich, zuvor die Seele die Tat getan! Ein fremder Mann, ich zog ihn her, er war mir nah – aber nicht völlig – Barak, Barak, dich weckt’ ich doch, weißt du es nicht?”

Barak, von der Frau ungehört auf der anderen Seite der Mauer, bereut auch sein Benehmen: “Mir anvertraut, dass ich sie hege, dass ich sie trage auf diesen Händen und ihrer achte und ihrer schone um ihres jungen Herzens willen! ... Mir anvertraut – und taumelt zur Erde in Todesangst vor meiner Hand! Weh mir! Dass ich sie einmal noch sähe und zu ihr spräche: Fürchte dich nicht.”

Bei “mir anvertraut” singt die Frau auf der anderen Seite “dir angetraut,” also ihre Hälfte dieses versehentlichen Duetts, mit ihrem reumütigen Mann unwissendlich harmonieren und reimen: “Dir angetraut, dein zu pflegen, dienend, liebend dir mich bücken: dich zu sehen! atmen, leben! Kinder, Guter, dir zu geben!”

Hierauf fällt ein Lichtstrahl von oben in Baraks Verlies und eine Stimme von oben singt: “Auf, geh nach oben, Mann, der Weg ist frei!” Seine Frau singt noch auf ihrer Seite: “Barak, mein Mann! Strenger Richter, hoher Gatte! Schwängest du auch dein Schwert über mir, in seinem Blitzen sterbend noch sähe ich dich!”

Auch ihr fällt nun ein Lichtstrahl in das Verlies und die Stimme von oben wiederholt: “Frau, geh nach oben, denn der Weg ist frei.” Als sie noch oben eilt, versinkt das Gewölbe.

Wolken teilen sich und enthüllen dieselbe Berglandschaft wie im Traum der Kaiserin. “Steinerne Stufen führen vom Wasser aufwärts zu einem mächtigen tempelartigen Eingang ins Berginnere. Genau wie in der Zauberflöte ist die Tür zu dem mittleren Eingang offen. Auf der obersten Stufe steht der Bote, wartend, mit dienenden Geistern rechts und links.

Ein Kahn kommt auf dem Wasser geschwommen, ohne Lenker. Die Kaiserin liegt darin, schlummernd, von der Amme überwacht. Als sie ankommen, treten Bote und Geister in den Tempel und die eherne Tür schließt sich hinter ihnen. Die Amme will die Kaiserin, die jetzt erwacht, nicht ans Land steigen lassen, aber der Kahn will bleiben: “Fort von hier! Hilf mir vom Fels lösen den Kahn! leise Übermächte spielen mit uns! Zum greulichsten Ort eigenwillig strebt das Gemächte aus bösem Holz! Wär’ ich nicht gewitzigt, was würde aus dir!”

Die Kaiserin erwidert: “Der Kahn will bleiben – siehst du nicht?Die Treppe, schau!”

Die Amme will den Kahn aufgeben und zu Fuß weitergehen: “So laß den Kahn! Nun fort von hier! Ich weiß den Weg, Mondberge sieben sind gelagert, dies ist der höchste: ein böser Bereich! Geschürzt dein Kleid und hurtig die Füße: ich führ’dich hinunter, ich finde hinaus!”

Aber die Kaiserin tritt auf die Treppe und sagt: “Hier ist ein Tor!sinnend, suchend Einmal vordem sah ich dies Tor! Posaunenruf, wie aus dem Innern des Berges Hörst du den Ton? der läd’t zu Gericht! leise, etwas beklommen Mein Vater, ja? Keikobad? Sag? Lange sah ich ihn nicht, doch weiß ich wohl: er liebt zu thronen wie Salomo und aufzulösen, was dunkel ist. Hoch ist sein Stuhl und abgründig sein Sinn – rein und mutig doch, ich bin sein Kind: ich fürchte mich nicht. ... Die Posaune ruft abermals, stärker ... Mein Herr und Geliebter! Sie halten Gericht über ihn um meinetwillen! Was ihn bindet, bindet mich.Was er leidet, will ich leiden, ich bin in ihm, er ist in mir! Wir sind eins. Ich will zu ihm.”

Angstvoll wiederholt die Amme ihren legalistischen Plan: “Fort mit uns! Ich schaff’ dir den Schatten! So ist es gesetzt und so beschworen! Du bleibst die gleiche, Töchterchen, liebes,und durch deinen Leib gleitet das Licht – allein des Weibes trauriger Schatten, dir verfallen, haftet der Ferse! Ihresgleichen scheinst du dann und bist es nicht: doch du erfüllst, was bedungen war!schmeichelnd So hab’ deinen Liebsten und herze ihn! Ich helf’ dir ihn finden, ich will es tragen, dass ich ihn sehe in deinen Armen auf Jahr und Tagund bleibe die Hündin in seinem Hause!resigniert seufzend, nicht heftig Wehe mir! Sehr stark Nur fort von hier! Fort von der Schwelle, sie zu betreten, ist mehr als Tod!”

“So kennst du diese Schwelle?” fragt die Kaiserin. “So weißt du, wohin dies Tor sich öffnet? Antworte mir!” Die Amme sagt nur, dumpf: “Zum Wasser des Lebens.” In einer plötzlichen Erleuchtung erinnert sich die Kaiserin an ihre Traum und an die Stimmen, die ihrem Mann zuriefen, als er in den Berg trat. Sie beginnt, ihre eigenen Fragen zu beantworten: “Zur Schwelle des Todes! So scholl der Ruf. Steh mir Rede! Du weißt das Geheimeund kennst die Bewandtnis. Antworte mir!”

Die Amme sagt weiter nichts und die Kaiserin muß sich jetzt ganz auf ihr inneres Licht verlassen. Sie erklärt sich bereit, auch ihr eigenes Blut für ihren Mann zu vergießen: “Schweigst du tückisch? Willst du mit Fleiß den Sinn mir verdunkeln? Hell ist in mir! Hell ist vor mir! leidenschaftlich Ich muß zu ihm! Wasser des Lebens, ich muß er erspüren, ihn besprengen – Wasser des Lebens – ist es das Blut aus diesen Adern? Fließe es hin, dass ich ihn wecke!”

Die Amme versucht, vergeblich, die Kaiserin an den Kleidern zurückhalten und sie stammelt eine Art Zusammenfassung ihres anthropologischen und theologischen Nihilismus hervor: “Hab’ Erbarmen! Du verfängst dich: tausend Netze, Gaukelspiel, greulicher Trug! Wasser des Lebens, greuliches Blendwerk – müßt ich darüber mein Blut hingeben – , halte ich ab von deinerSeele und deinem Herzen! Ein Wasser springt wirklich im Berge. Leuchtend steigt es, goldene Säule, aus dem Grund: Wasser des Lebens! Wer daran die Lippen legte – einer der unsern, von Geistern stammend – mehr als Tod, greulich unsagbar teuflisches Unheil schlürft er in sich rettungslos. ...Hörst du mich nicht? Fürchterlich ist Keikobad! Was weißt du von ihm! Du bist sein Kind und hast dich gegeben in Menschenhand und dein Herz vergeudet an einen von den Verwesenden! Fürchterlich straft er dich, wenn du fällst in seine Hand. Denn er kennt kein Greul über diesem, dass eines spiele mit den Verhaßten und sich mische mit den Verfluchten! Weh über sie, die dich gebar, und Menschensehnsucht dir flößte ins Blut! Weh über dich!”

Inzwischen ist die Kaiserin auf die höchste Stufe gelangt. Verklärt und fest entschlossen drückt sie ihre eigene neu gewonnene, furchtlose, lebensbejahende Anthropologie und Theologie: “Aus unsern Taten steigt ein Gericht! Aus unserm Herzen ruft die Posaune, die uns lädt. – entschieden, die Hand gegen sie ausstreckend, gebietend Amme, auf immer scheid’ ich mich von dir. Was Menschen bedürfen, du weißt es zu wenig, worauf ihrer Herzen Geheimnis zielet, dir ist es verborgen. sehr feierlich und groß Mit welchem Preis sie alles zahlen, aus schwerer Schuld sich wieder erneuen, dem Phönix gleich, aus ewigem Tode zu ewigem Leben sich immer erhöhen – kaum ahnen sie’s selber – dir kommt es nicht nah. Ich gehöre zu ihnen, mächtig du taugst nicht zu mir! Sie tritt ans Tor, das sich lautlos öffnet, sie tritt hinein, das Tor schließt sich.”

Die Amme will ihr nach, wagt sich aber nicht in den Tempelbereich. Auf der Treppe stehend, höhnt sie die Worte der Kaiserin: ‘Was Menschen bedürfen? Betrug ist die Speise, nach der sie gieren. Betrüger sie selber! Fluch über sie! Das ewige Trachten,Vorwärts ins Leere, der angstvermischte gierige Wahnsinn – hinübergeträufelt in meines Kindes kristallene Seele! Fluch über sie!”

Während dieser haßerfüllten Tirade hat man die Stimmen von Barak und von seiner Frau von entgegengesetzen Ecken der Bühne gehört, die sich suchen: “Weh, weh, o weh!” Da bricht es noch aus der Amme aus: “Menschen! Menschen! Wie ich sie hasse! Wimmelnd wie Aale, schreiend wie Adler, schändend die Erde! Tod über sie!”

Barak kommt von rechts aus einem Nebel auf sie zu und fragt die Amme, ob sie seine Frau gesehen habe. Sie sagt ihm, seine Frau verfluche ihn in den Tod; er solle sich an ihr rächen! Er geht nach links Bühnenaufwärts ab.

Dann erscheint seine Frau, von links, aber weiter unten, und fragt dasselbe. Sie wird auch in die falsche Richtung gewiesen mit der Warnung: “Dort hinüber! Dich zu töten mit seinen Händen. Rette dich, flieh!”

Die Amme stellt sich das grausame Geschehen im Tempel vor: “Sie ist hinein! Sie trinkt! Das goldene, flüssige Unheil springt auf die Lippen, wühlt sich hinab! Ihr Gesicht greulich zuckt, ein menschlicher Schrei ringt sich aus der wunden Kehle! Ihr zu Hilfe! Müßte ich sterben! Keikobad! Sie will ans Tor

Der Bote tritt heraus, ehern: “Den Namen des Herrn? Hündin, zu wem hebst du die Stimme? Fort mit dir von der Schwelle! Pack dich, für immer!”

Sie versucht es ihm zu erklären: “Mir anvertraut – du selber, Bote! Drei Tage lang! Ich hab’ sie gehütet, ich rang mit ihr – sie stieß mich von sich – sie kennt mich nicht mehr – Keikobad! Er muß mich hören! will an ihm vorbei

Der Bote, immer noch ehern, erklärt ihr – und uns – ein großes, ewiges Paradoxon:4 “Wer bist du, dass du ihn rufest? Was weißt du von seinem Willen und wie er verhängt hat ihr die Prüfung? Wenn er dich hieß des Kindes hüten, wer heißt dich raten, ob er nicht wollte, dass sie dir entliefe? immer schrecklicher Und trotzdem dich verwirft auf ewig: dass du nicht vermochtest, ihrer zu hüten!

Die Stimmen von Barak und seiner Frau hört man noch. Jedes sucht das andere, jedes bittet das andere um Vergebung. Wie sie merkt, dass sie nicht zu der Kaiserin und zu Keikobad vorgelassen wird, stößt die Amme noch einen Fluch über die Menschen aus: “Weh, mein Kind! Mir verloren! Fluch und Verderben über die Menschen – fressendes Feuer in ihr Gebein!”

“Unter den Menschen umherzuirren, ist dein Los,” sagt ihr der Bote. “Die du hassest, mit ihnen zu hausen, ihrem Atem dich zu vermischen, immer auf’s neu’! Der Bote setzt sie gewaltig die Treppe hinunter und in den Kahn: “Auf, du Kahn, trage dies Weib Mondberge hinab den Menschen zu!”

“Fressendes Feuer in ihr Gebein” schreit die Amme noch ein letztes Mal. Noch ehern sagt ihr der Bote: “Verzehre dich! Dir widerfährt nach dem Gesetz!” Man hört im Orchester Blitz, Donner und Posaunen, das Instrument des jüngsten Gerichts.

Die Szene wird nach innen verlegt und die Stimmen der sich suchenden Färbersleute werden leiser, denn sie bleiben draußen, als die Türen zu diesem “tempelartigen Raum” sich schließen. Eine der Nischen im Raum, die mittelste, ist verhängt.

Die Kaiserin steigt von unten in diesem Raum empor. Drei dienende Geister mit Fackeln gehen ihr entgegen. Genau wie die drei Knaben in der Zauberflöte geben sie ihr der Reihe nach ermunternde Ratschläge: “Hab’ Erfurcht!” “Mut!” “Erfülle dein Geschick!”

Sie nähert sich der verhängten Nische: “Vater, bist du’s? Drohest du mir aus dem Dunkel her? Hier siehe dein Kind! Mich hinzugeben, hab’ ich gelernt, aber Schatten hab’ ich keinen mir erhandelt. Nun zeig mir den Platz, der mir gebührt inmitten derer, die Schatten werfen.”

Ein Springquell goldenen Wassers steigt leuchtend aus dem Boden auf. Die Kaiserin singt: “Goldenen Trank, Wasser des Lebens, mich zu stärken, bedarf ich nicht! Liebe ist in mir, die ist mehr.”

Eine schmeichelnde, verführerische Stimme von oben lädt sie ein, vom Wasser zu nehmen: “So trink, du Liebende, von diesem Wasser! Trink, und der Schatten, der des Weibes war, wird deiner sein, und du wirst sein wie sie.”

“Jedoch was wird aus ihr?” fragt die Kaiserin, die immer noch leise die Rufe der Färberin draußen vernehmen kann. Wie sie dann auch Barak hört, sagt sie: “Baraks Stimme! Baraks Blick! Meine Schuld hier wie dort, dort wie hier! ... Sternennamen rief ich an, rein zu bleiben von Menschenschuld! Blut ist in dem Wasser, ich trinke nicht! Das Wasser versinkt gänzlich. Doch weich ich nicht! Mein Platz ist hier in dieser Welt. Hier ward ich schuldig, hierher gehör’ ich. Wo immer du dich birgst im Dunkel – in meinem Herzen ist ein Licht, dich zu enthüllen! Ich will mein Gericht! Zeige dich, Vater! Mein Richter, hervor!”

Das vielleicht größte Crescendo in der Musikgeschichte, dieses allmähliche Anwachsen der Tonstärke, gipfelt in dem bekannten Leitmotif: “Er wird zu Stein!” Gleichzeitig mit der anwachsenden Lautstärke wächst das Licht hinter dem Vorhang bis der Vorhang endlich ein durchsichtiger Schleier wird. Dahinter sitzt nicht Keikobad, sondern der Kaiser, auf einem steinernen Thron, selber versteinert, bis auf die Augen, die zu leben scheinen.

Und jetzt, in einem geprochenen, nicht gesungenen Monolog, vermutlich weil es der Tiefstpunkt der Oper ist, der unmusikalischte, der a-musischte5 Augenblick, sagt die Kaiserin verzweifelt: “Ach! Weh mir! Mein Liebster begraben im eigenen Leib! Erfüllt der Fluch! Meines Wesens unschuldige Schuld an ihm gestraft, weil er zu sehr mein Geheimnis geliebt, um das er mich wählte – erbarmungslos, dahingeopfert, meinem Geheimnis sein liebendes Herz! Ungelöst meiner Seele Knoten von Menschenhand – Starr nun die Hand, die ihn nicht löste – Versteinert sein Herz von meiner Härte! Mein Geschick seine Schuld! Meine Schuld sein Geschick! Weh, ihr Sterne, also tut ihr an den Menschen! Sie nähert sich in Verzweiflung dem Versteinerten. Mit dir sterben, auf, wach auf! Aug’ in Aug’, Mund an Mund mit dir vereint, laß mich sterben!”

Die Augen des Kaisers folgen ihr, was eine weitere Qual für sie ist: “Nicht diesen Blick! Ich kann nicht helfen, ich kann nicht!”

Unirdische Stimmen, als kämen sie aus Abgründen, wiederholen den furchtbaren Fluch: “Die Frau wirft keinen Schatten, der Kaiser muß versteinen!” Die Statue verdunkelt sich wieder, der goldene Wasser hebt sich wieder und die verführerische Stimme von oben lockt sie noch einmal, von dem Wasser zu nehmen: “Sprich aus: Ich will! Und jenes Weibes Schatten wird dein! Und dieser stehet auf und wird lebendig und geht mit dir! Und des zum Zeichen neige dich und trink!”

Die Kaiserin liegt im furchtbaren Kampf auf dem Boden und spricht: “Versuch mich nicht, Keikobad! Ich bin dein Kind! Laß mich sterben, eh’ ich erliege!” Dann erhebt sie sich auf die Knie, ihren Lippen entringt sich ein qualvoller, stöhnender Schrei, in dessen Intervallen die Worte hörbar sind: “Ich – will – nicht!”

Das Wasser sinkt hinab, der Raum erhellt sich von oben, von der Kaiserin fällt jetzt ein scharfer Schatten quer über den Boden des Raumes und der Kaiser erhebt sich von seinem Thron und steigt die Stufen hinab, folgende Worte singend: “‘Wenn das Herz aus Kristall zerbricht in einem Schrei, die Ungebornen eilen wie Sternenglanz herbei. Die Gattin blickt zum Gatten, ihr fällt ein irdischer Schatten von Hüfte, Haupt und Haar. Der Tote darf sich heben aus eigenen Leibes Gruft – die Himmelsboten eilen hernieder aus der Luft!’ So ward mir zugesungen, da ich im Sterben war. Nun darf ich wieder leben! Schon kommt die heilige Schar mit Singen und mit Schweben.”6

Wie es bei Parsifal der Fall war, wird das Licht von der Kuppel herab immer stärker, und von oben her dringen die Stimmen der Ungeborenen hernieder: “Hört, wir wollen sagen: Vater! Hört, wir wollen Mutter rufen! Steigen auf! Nein, kommt herunter! Zu uns führen alle Stufen!”

Die Kaiserin, leicht verwirrt, zeigt nach oben und fragt, wer diese Wesen seien: “Sind das die Cherubim, die ihre Stimmen heben?” Der Kaiser klärt sie auf: “Das sind die Nichtgeborenen, nun stürzen sie ins Leben mit morgenroten Flügeln zu uns, den fast Verlorenen; uns eilen diese Starken wie Sternenglanz herbei. Du hast dich überwunden. Nun geben Himmelsboten den Vater und die Kinder: die Ungebornen frei! Sie haben uns gefunden, nun eilen sie herbei!”

Beide sinken in die Knie und bergen ihr Gesicht in den Händen. Ein silbernes Klingen präludiert dem Gesang der Ungeborenen: “Hört, wir gebieten euch: ringet und traget, dass unser Lebenstag herrlich uns taget! Was ihr an Prüfungen standhaft durchleidet, uns ist’s zu strahlenden Kronen geschmeidet!”

Kaiser und Kaiserin haben sich, mit Entzücken aufwärtsblickend, erhoben. Als sich ihre Hände berühren, singen sie ein Duett. Die Kaiserin singt: “Engel sind’s, die von sich sagen! Ihre Stärke will uns tragen! Ungeboren, preisgegeben, ohne Anker, ohne Ziel! Wie sie rufend uns umschweben, bin ich, bin ich dir gegeben!”

Der Kaiser singt gleichzeitig: “Nirgend Ruhe, still zu liegen, nirgend Anker, nirgend Port, nichts ist da – nur aufzufliegen ist ein Ort an jedem Ort, wie sie rufend uns umschweben bist du, bist du mir gegeben!”

Die Szene verwandelt sich. Eine schöne Landschaft hebt sich heraus, mit einem goldenen Wasserfall, der durch eine Kluft stürzt. Kaiserin und Kaiser werden über dem Wasserfall sichtbar, von der Höhe herabsteigend.

Weiter unten sieht man die Färberin auf einem schmalen Fußpfad vor den Abgrund. Barak ist auf der anderen Seite. Wie sie ihn sieht und ihm die Arme entgegenstreckt, fällt ihr Schatten quer über den Abgrund: “Schatten, dein Schatten, er trägt mich zu dir!” singt er.

Sie erwidert: “Gattin zum Gatten! Einziger mir!” Die Ungeborenen singen: “Mutter, dein Schatten! Sieh, wie schön! Sieh deinen Gatten zu dir gehn!” In diesem Augenblick fällt an Stelle des Schattens eine goldene Brücke über den Abgrund. Beide betreten die Brücke und liegen einander in den Armen.

Kaiser und Kaiserin wenden sich nach abwärts, die Färbersleute blicken zu ihnen empor. Die Männer singen je einen Text; die Frauen singen dieselben Worte, denn ihr Schicksal hat sie zu Schwestern gemacht:

Barak freut sich als schaffender Vater: “Nun will ich jubeln, wie keiner gejubelt, nun will ich schaffen, wie keiner geschafft, denn durch mich hin strecken sich Hände, blitzende Augen, kindische Münder, und ich zerschwelle vor heiliger Kraft!”

Der Kaiser, indem er auf die beiden hinunter weist und weiter hinunter auf die Menschenwelt, erklärt den Sinn der ganzen Oper: “Nur aus der Ferne war es verworren bang, hör es nun ganz genau, menschlich ist dieser Klang! Rührende Laute – nimmst du sie ganz in dich, Brüder, Vertraute!”

Die Frauen singen ein Duett im Quartett: “Schatten zu werfen, beide erwählt, beide in prüfenden Flammen gestählt. Schwelle des Todes nah, gemordet zu morden, seligen Kindern Mütter geworden!”

Alle vier weben nun ihre Worte durcheinander in dem großartigen Schlußquartett, aber den Ungeborenen gehört das letzte Wort. Nach dem großen Jubel des Quartetts wird die Musik leise und einfach und das Gesang der Ungeborenen Kinder ertönt, als eine Art chorus mysticus. Der Text ist verblüffend:
Vater, dir drohet nichts,
siehe, es schwindet schon,
Mutter, das Ängstliche,
das euch beirrte.

Wäre denn je ein Fest,
wären nicht insgeheim
wir die Geladenen,
wir auch die Wirte!

Der Vorhang fällt, als die Musik in einem zärtlichen Violinobbligato immer höher aufsteigt, hinter sich lassend, als sie verebbt, den geheimnisvollen Nachklang einer ewigen und erhabenen Freude.

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Fußnoten:

1Richard Strauss - Hugo von Hofmannsthal: Briefwechsel. Gesamtausgabe, Herausgeber, Willi Schuh (Zürich: Atlantis Verlag, 1952 und 1970), Seite 113. Brief vom 20.03.1911.

2Das ungewöhnliche Wort Muhme erinnert an Goethes Faust, wo im Prolog Mephistopheles über Faust aussagt: “Staub soll er fressen, und mit Lust, wie meine Muhme, die berühmte Schlange” [Zeilen 334-335]. Das betont die böse, teuflische Seite der Amme: sie haßt die Menschheit, ist aber auch eine Quelle der Misere für diejenigen, die wie Läuse auf ihr herumkrabbeln. In einer späteren Szene der Frau ohne Schatten wird die Amme auch eine “alte weiß und schwarz gefleckte Schlange” gescholten.

3Genau die Worte, die Mephistopheles zu Faust sagt, als Gretchen hingerichtet werden sollte, was den Zusammenhang Amme = Mephistopheles noch betont.

4Der Herr bedient sich des bösen Prinzips, um das Gute zustande zu bringen. (II. Nephi 2) Bei Goethes Faust sagt der Herr ähnliches über Mephistophles: “Des Menschen Tätigkeit kann allzuleicht erschlaffen; er liebt sich bald die unbedingte Ruh; Drum geb’ ich gern ihm den Gesellen zu, der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen.” (Prolog im Himmel, Zeilen 342-343)

5Weil die Entscheidung der Kaiserin ganz ihre allein sein muß, ohne jeglichen himmlischen Einfluß, ist der Augenblick daher a-musisch, ohne Einfluß durch die himmlischen Musen. Es ist das Gegenteil von den Augenblicken in der Zauberflöte, wo himmlische Kräfte durch die Musik herbeigeschafft werden können.

6Es ist so aussagekräftig wie interessant, dass von der Auferweckung des Kaisers bis zum Ende der Oper alle Zeilen nicht nur gesungen werden, im Gegensatz zu den gesprochenen Worten der Kaiserin als sie in tiefster Verzweiflung war, sondern sie sind auch alle gereimt.